Manche Menschen wirken wie Felsen in der Brandung. Andere geraten bei ähnlichen Herausforderungen schneller aus dem Gleichgewicht. Warum ist das so? Wieso gehen wir so unterschiedlich mit Belastung um? Eine verständliche Antwort darauf gibt das Vulnerabilitäts-Stress-Modell – auch bekannt als „Fassmodell“. Es veranschaulicht, wie Überlastung entsteht, welche Rolle unsere individuelle Anfälligkeit spielt – und was Resilienz damit zu tun hat.
Belastung ist nicht gleich Belastung
Nicht jede Belastung führt automatisch zu Stress. Und nicht jeder Stress wird zur Krise. Entscheidend ist das Zusammenspiel mehrerer Faktoren: die äußeren Anforderungen, unsere inneren Voraussetzungen und die vorhandenen Ressourcen. Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell macht dieses Zusammenspiel sichtbar – und eröffnet dadurch auch Handlungsspielräume.
Was das Fassmodell – erklärt
Das Bild ist einfach: Wir alle haben ein inneres Fass, in dem sich alltägliche und außergewöhnliche Belastungen sammeln. Dieses Fass ist bei jedem Menschen gleich groß, doch unterschiedlich gebaut. Die äußere Form mag gleich erscheinen, doch die entscheidende Variable liegt im Boden: Wer einen hohen Boden hat, dessen Fass ist schneller voll. Wer einen tiefen Boden hat, kann mehr auffangen, bevor es kritisch wird.
Diese individuelle Bodenhöhe symbolisiert unsere Vulnerabilität – also unsere persönliche Anfälligkeit oder Empfindlichkeit gegenüber Belastung. Sie ist geprägt durch Erfahrungen, genetische Dispositionen, psychische und körperliche Verfassung sowie äußere Lebensumstände.
Jeder Mensch bringt eine andere Ausgangslage mit – geprägt durch seine Biografie, sein Umfeld und seine aktuellen Lebensbedingungen. Wer seine eigene Konstitution kennt und achtsam mit ihr umgeht, kann frühzeitig für Entlastung sorgen. Das Modell macht deutlich, wie wichtig es ist, die eigene Belastungsgrenze zu kennen, wahrzunehmen und zu beachten. Denn unsere Ressourcen und unsere Belastbarkeit sind endlich, auch wenn wir das gerne ignorieren.
Wie Resilienz im Modell wirkt
Resilienz beschreibt die Fähigkeit, mit Herausforderungen so umzugehen, dass Belastung verarbeitet und reguliert werden kann. Im Bild des Fasses zeigt sich diese Fähigkeit darin, wie sich Menschen unter zunehmendem Stress innerlich organisieren, Orientierung behalten und Ressourcen aktivieren. Dadurch hat das Fass immer etwas Luft und ist nie randvoll.
Wer resilient handelt, erkennt Spannungszustände frühzeitig und gestaltet den Alltag so, dass Entlastung und selbstwirksames Handeln möglich wird.
Zu den Ressourcen, die im Resilienzprozess stabilisierend wirken, gehören:
- emotionale Selbstregulation,
- ein tragfähiges soziales Netz,
- bewusste Pausen und Erholungsphasen,
- Werteorientierung und Sinnbezug,
- sowie die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung und Reflexion.
Im Resilienz Coaching arbeiten wir an diesen Ressourcen– mit dem Ziel, eine stabile innere Basis zu entwickeln, auf die auch dann zurückgegriffen werden kann, wenn die Anforderungen steigen.
Stressbewältigung in der Anwendung
Das Modell eignet sich sehr gut, um die eigenen Belastungsfaktoren sichtbar zu machen. Wer erkennt, welche Herausforderungen das persönliche Fass füllen, kann bewusster gegensteuern, priorisieren, abgrenzen, loslassen.
Konkret heißt das zu schauen:
- Was sind meine wiederkehrenden Stressoren? Was läuft rein in mein Fass?
- Wie sieht mein aktueller Füllstand aus? Was ist drinnen in meinem Fass?
- Wie hoch ist der Boden meines Fasses?
Resilienz Coaching fördert dabei nicht nur die Analyse, sondern auch das praktische Umsetzen neuer Strategien. Es geht darum, eigene Muster zu erkennen, Handlungsspielräume zu erweitern und tragfähige Entlastungsmechanismen zu integrieren.
Frühzeichen erkennen – bevor das System kippt
Der Übergang von Belastung zur Überforderung ist selten abrupt. Meist sendet der Körper leise Signale: Einschlafprobleme, Konzentrationsschwächen, Gereiztheit, Spannungskopfschmerzen oder das Gefühl, innerlich ständig „unter Strom“ zu stehen. Wer lernt, diese Frühzeichen ernst zu nehmen, verschafft sich wertvolle Zeit zur Neujustierung.
Im Coaching werden diese Signale als wertvolle Informationsquelle genutzt: Was zeigt sich? Was verlangt Aufmerksamkeit? Was braucht Unterstützung?
Auch hier hilft das Bild des Fasses: Es geht darum, den Pegel rechtzeitig wahrzunehmen, bevor er kritisch wird. Dazu braucht es ein verlässliches Gespür für innere Zustände – eine Kompetenz, die sich trainieren lässt. Und Inhalt jeder Sitzung ist.
Fazit: Belastungsgrenze achten
Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell bietet eine anschauliche Möglichkeit, die eigene Konstitution besser kennenzulernen – und die Verantwortung für sich selbst zu gestalten.
Resilienz entsteht dort, wo Menschen sich selbst bewusst begleiten – auch dann, wenn äußere Bedingungen fordern oder verunsichern.
Mehr Impulse zur Stressbewältigung und zur Stärkung Ihrer Resilienz finden Sie in weiteren Beiträgen hier in meinem Blog – oder im persönlichen Coaching.