Daueranspannung erkennen – wann Stress mehr ist als „nur viel zu tun“

Viele Menschen erkennen erst spät, dass sie unter chronischem Stress leiden. Sie funktionieren, erledigen, halten durch – bis der Körper sie zu einer Pause zwingt. Dabei ist es selten eine einzige Krise, die das System kippen lässt. Viel häufiger ist es die fortlaufende Anspannung, die sich über Wochen und Monate unbemerkt aufbaut. Dieser Artikel erklärt, wie Dauerstress entsteht, warum er nicht nur psychisch, sondern auch neurobiologisch ernst zu nehmen ist – und wie Selbstregulation und achtsame Körperwahrnehmung helfen können, gegenzusteuern.

Stress ist nicht gleich Stress – Eustress versus Distress

Im Alltag sprechen wir oft pauschal von „Stress“, dabei unterscheidet die Wissenschaft klar zwischen zwei Qualitäten: dem sogenannten Eustress und dem Distress. Eustress ist die positive Form – ein kurzzeitiger Spannungszustand, der motiviert, aktiviert und unsere Leistungsfähigkeit fördert. Er tritt zum Beispiel auf, wenn wir vor einer wichtigen Präsentation stehen oder ein Ziel verfolgen, das uns persönlich begeistert.

Distress hingegen beschreibt belastenden, negativ erlebten Stress. Er entsteht, wenn Anforderungen als zu hoch, unkontrollierbar oder andauernd empfunden werden – häufig verbunden mit innerem Druck oder dem Gefühl, funktionieren zu müssen. Besonders kritisch wird es, wenn Distress chronisch wird, also keine echte Erholung mehr folgt. Dann beginnt der Körper, eigene Reserven zu verbrauchen – emotional, körperlich und kognitiv.

Was passiert im Körper? Die Stresskaskade verstehen

Stress ist kein Gefühl, sondern eine körperlich messbare Reaktion. Im Zentrum steht die sogenannte Stresskaskade, die über zwei biologische Systeme gesteuert wird:

Zunächst reagiert der Sympathikus – der Teil des vegetativen Nervensystems, der für Aktivierung und Alarmbereitschaft zuständig ist. Parallel dazu wird die HPA-Achse aktiviert: Ein komplexes System aus Hypothalamus, Hypophyse und Nebennierenrinde, das die Ausschüttung von Cortisol steuert – einem Stresshormon, das den Körper auf anhaltende Belastung vorbereitet.

Kurzfristig ist diese Reaktion sinnvoll: Sie bereitet uns auf Kampf oder Flucht vor. Doch bleibt sie über Wochen oder Monate aktiv, schädigt sie Körper und Psyche gleichermaßen. Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen, emotionale Erschöpfung, Muskelverspannungen oder eine erhöhte Infektanfälligkeit können die Folge sein. Viele Menschen verlieren in dieser Zeit das Gefühl für sich selbst – sie spüren kaum noch, was ihnen guttut oder was sie brauchen.

Warum Dauerstress so schwer zu erkennen ist

Ein zentrales Problem chronischer Anspannung: Sie tarnt sich als Normalzustand. Wer über längere Zeit im Stressmodus lebt, gewöhnt sich daran – neurobiologisch, emotional und mental. Besonders Menschen mit starkem innerem Antrieb („Ich muss durchhalten“, „Ich darf keine Schwäche zeigen“) übergehen frühe Warnzeichen. Viele Menschen interpretieren ihre Erschöpfung als Beleg dafür, dass sie sich besonders engagieren – und empfinden echte Ruhephasen eher als bedrohlich oder als Zeichen von Schwäche.

Hier ist Aufklärung entscheidend. Denn Stress ist kein persönliches Versagen, sondern oft eine logische Reaktion auf langanhaltende Überforderung. Wer die eigene Stressdynamik versteht, kann früher gegensteuern – bevor der Körper aussteigt.

Ich biete einen kostenfreien Stresstest an, um die Symptome einzuordnen.

Wege der Selbstregulation – zurück in die innere Balance

Die gute Nachricht: Auch wenn Stress zur Gewohnheit geworden ist, lassen sich gesunde Gegenpole etablieren. In meiner Arbeit mit hypnosystemischen und achtsamkeitsbasierten Ansätzen steht neben dem Vermeiden von Stress, das Stärken von positivem Erleben, Selbstmitgefühl und somatischer Selbstregulation im Fokus.

Ein zentrales Element ist die Rückbindung an den Körper. Methoden wie Zapchen Somatics, kleine achtsame Bewegungsimpulse oder das bewusste Wahrnehmen des Atems helfen, das Nervensystem wieder in den parasympathischen Modus zu führen – also in den Zustand von Sicherheit, Regeneration und Verbindung. Dabei geht es nicht um Entspannungstechniken im klassischen Sinne, sondern um eine gelebte, verkörperte Regulation, die im Alltag abrufbar bleibt.

Kleine Übung: Seufzen mit innerem Lauschen (Zapchen Somatics)

Diese Mini-Intervention dauert nur wenige Sekunden und kann jederzeit im Alltag eingesetzt werden:

Setze oder stelle Dich bequem hin, mit weichem Blick und entspanntem Gesicht. Lasse einen natürlichen, nicht gemachten Seufzer zu – mit hörbarem Ausatmen durch den Mund. Achte dabei besonders auf den Moment nach dem Seufzer: Was geschieht im Körper, wenn Du ausatmest und loslässt? Vielleicht entsteht Weite, Wärme oder ein feines Nachgeben im Bauch, in den Schultern oder im Gesicht. Wiederhole dies zwei- oder dreimal, ohne etwas zu forcieren – nur beobachtend. Diese kleinen Momente stärken langfristig die Fähigkeit zur Selbstregulation – auch mitten im Alltag.

In der ACT (Akzeptanz- und Commitment-Therapie) arbeiten wir mit dem Konzept der „psychischen Flexibilität“. Das bedeutet: Wir üben, mit unangenehmen Gedanken und Gefühlen präsent zu bleiben – ohne sie sofort ändern zu müssen – und gleichzeitig werteorientierte Handlungen zu ermöglichen. Dadurch entsteht ein innerer Handlungsspielraum – trotz äußerer Belastung.

Auch in der Schulung von Selbstmitgefühl steckt eine kraftvolle Ressource: Der bewusste, freundliche Umgang mit der eigenen Begrenztheit wirkt dem inneren Kritiker entgegen – und stärkt Resilienz.

Natürlich schauen wir auch ganz pragmatisch, ob es möglich ist, Stress zu vermeiden, sich besser abzugrenzen, Bedürfnisse zu erkennen, zu äußern und Kraftquellen aufzubauen.

Insgesamt geht es nicht nur darum, stressfrei, sondern auch mit Stress bewusster und verbundener zu leben– mit sich selbst und dem, was wirklich zählt.

Fazit: Dauerstress ist kein Zustand, den man „aushalten“ muss.

Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihre Anspannung mehr ist als nur „viel zu tun“, dürfen Sie das ernst nehmen – und sich Unterstützung holen.

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