Wenn Denken sich festläuft
Viele Menschen lösen Herausforderungen im Kopf. Sie analysieren, planen, vergleichen – und wenn keine Lösung in Sicht ist, denken sie weiter. Der Körper wird dabei zur Randfigur. Und genau das wird häufig zum Problem.
Denn der Körper reagiert früh: mit Spannung, innerem Druck, flacher Atmung, Unruhe. Es sind Rückmeldungen – aber sie passen nicht in den Denkrahmen. Doch wer sie ignoriert, überhört wertvolle Hinweise, die Orientierung geben könnten. Statt innezuhalten, wird noch mehr gedacht. So entsteht ein Kreislauf: Das Denken sucht nach Kontrolle, der Körper meldet Alarm. Und je mehr der Kopf versucht zu ordnen, desto weniger wird gespürt.
Was der Körper weiß
Psychologisch lässt sich das erklären: Der Körper speichert Erfahrungen. Noch bevor Gedanken entstehen, zeigt sich, wie vertraut oder bedrohlich etwas wirkt. Diese körperbasierten Reaktionen – sogenannte somatische Marker – sind Teil unseres inneren Wissens. Sie helfen, Situationen einzuschätzen. Doch nur, wenn sie wahrgenommen werden.
Wer spürt, was der Körper meldet, gewinnt Zugang zu dieser Information. Sie ist nicht rational – aber deutlich: Enge, Druck, Rückzug oder Aufatmen, Entlastung, Öffnung. Solche Rückmeldungen sind kein Ersatz für Denken. Aber sie erweitern den Blick – vor allem dann, wenn der Kopf keine Antwort mehr findet.
Der Moment der Zuwendung
Manchmal beginnt Veränderung mit einem einfachen Schritt: Eine Hand auf dem Brustkorb. Ein hörbarer Seufzer. Ein Satz wie: „Da wird etwas eng.“ Diese Geste ist mehr als Achtsamkeit. Sie ist ein Signal: Ich nehme wahr, was da ist – ohne es sofort zu erklären.
Durch diese Zuwendung beginnt Selbstregulation. Der Atem vertieft sich, das Nervensystem reagiert. Es entsteht ein kleiner Abstand – genug, um neu auf eine Situation zu schauen. Nicht reaktiv. Nicht gelöst. Aber innerlich beweglich.
Spüren schafft Handlungsfähigkeit
Ich arbeite mit Menschen daran, diesen Zugang wiederzuentdecken. Spüren ist keine Methode, sondern ein anderer Bezug zum eigenen Erleben. Wer sich selbst differenziert wahrnimmt, kann klarer entscheiden. Nicht gegen den Körper – sondern mit ihm.
So entsteht Handlungsspielraum. Nicht, weil alles leichter wird. Sondern weil man sich wieder als beteiligt erlebt – mit Kopf und Körper.
Eine Einladung
Wenn du heute das Haus verlässt, nimm dir einen Moment, bevor du losgehst. Leg die Hand auf den Brustkorb. Atme tief ein – und mit einem hörbaren Seufzer wieder aus. Sag dir: „Gerade jetzt muss ich nichts leisten.“ Und dann: „Was spüre ich – ohne es zu bewerten?“
Mehr braucht es oft nicht, um sich selbst wieder zu begegnen.